Brücke zwischen Promenade und Bismarckallee – Radverkehrsinfrastrukturmaßnahme oder eher fixe Idee?

Am 10.03.2020 wurde der Bezirksvertretung Münster Mitte erstmals der sogenannte Flyover Aegidiitor, eine Radverkehrsbrücke zwischen Promenade und Bismarckallee, vorgestellt (V/0156/2020). Hintergrund war der erwartete Zuschuss aus dem Programm „Förderung innovativer Projekte zur Verbesserung des Radverkehrs in Deutschland“

Seitdem wird das Projekt in der Stadtgesellschaft kontrovers diskutiert. Daher wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Zunächst kam diese Studie zu dem Ergebnis „Es wird empfohlen, auf eine Brückenlösung zu verzichten“. Dann wurde nachgebessert, das Ergebnis mit Verweis auf den steigenden Radverkehrsanteil revidiert und das Planungsbüro kam zu der Empfehlung: „weiterverfolgen, da sich im Zuge des erwartbaren Veloroutenausbaus die Radverkehrsbelastungen auf dieser Relation verdoppeln werden“. Die Fahrradbrücke kam als Ratsvorlage V/0261/2021Radverkehrsinfrastrukturmaßnahme „Flyover Aegidiitor““ zurück in die Ausschüsse und den Rat. Die zu erwartende Förderquote wurde noch einmal erhöht und es könnte der Eindruck entstehen, dass allein die Aussicht auf das Geld den Bau und die Fantasie einiger beflügelt.

Visualisierung „Flyover Aegidiitor“ in der Ratsvorlage V/0156/2020

Die zwei Versionen der Machbarkeitsstudie schlugen hohe Wellen, Oberbürgermeister Lewe diskutiert mit Fraktionsspitzen, will schlichten und „Sachliche Maßstäbe“ wiederherstellen. Dazu präsentiert er einen Vergleich „Erstentwurf“-„Machbarkeitsstudie“ Radbrücke Weseler Straße.

Trotz Werbung durch die Stadtverwaltung in Person von Stadtbaurat Robin Denstorff[1] und unserem Oberbürgermeister Markus Lewe, der die Ablehnenden der Fahrradbrücke gegenüber der WN süffisant als Auto-Hasser[2] bezeichnete und die rationalen Argumente damit totzuschlagen versucht, scheint die Stadtgesellschaft das Projekt aus Gründen mehrheitlich abzulehnen. Klaus Baumeister (WN) kommentiert dazu am 23.05.2021: „Natürlich können Lewe und die Ratsmitglieder auch zu der Erkenntnis kommen, dass der Flyover viel zu wichtig ist, als dass man die Bevölkerung darüber entscheiden lässt.“ Doch lässt sich die Bürgerschaft dieses demokratische Recht sicher nicht einfach nehmen. Das hat sie bereits mehrfach gezeigt und Bürgerentscheide herbeigeführt. Steht ein solcher auch jetzt wieder an?

Auf der Webseite des Amtes für Mobilität und Tiefbau gibt es weitere Informationen zum Projekt „FlyOver“, auch die letzte Version der Machbarkeitsstudie wurde dort verlinkt. Mehr zum geplanten, zeitlichen Ablauf findet sich auf der Themen-Seite „mobile Vielfalt erleben, entdecken, erleben“ (moVe).

Der den Rat vertretende Hauptausschuss hat am 19.05.2021 die „Flyover“-Entscheidung jetzt jedoch erst einmal verschoben und beschlossen, dass zunächst ein Gesamtkonzept für den Knotenpunkt Aegidiitor erarbeitet werden soll, welches eine wesentliche Verbesserung aller Wegebeziehungen der ebenerdigen Rad-, Fuß- und ÖPNV-Verkehrsführung vorsieht. Zudem soll dieses Gesamtkonzept auch den motorisierten Individualverkehr berücksichtigen und Varianten sowohl mit als auch ohne Flyover ausloten. Planungen, die den Flyover isoliert betrachten, sollen bis dahin pausieren.

Für FUSS e.V. Münster hat sich unser Mitglied Ralph Klom Gedanken zur Fahrradbrücke gemacht

Es war schon ein ausgesprochener Schildbürgerstreich, die beschönigend als Flyover bezeichnete Fahrradbrücke zwischen der Promenade und der Bismarckallee überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, ohne die Gesamtsituation der Kreuzung des nicht motorisierten Verkehrs zwischen Altstadt und Aasee mit der vierspurigen Weseler Straße zu bedenken.

Aus Richtung Altstadt haben wir es mit zwei Strömen von Fußgängern und Radfahrern zu tun, die einmal von der Aegidiistraße und zum anderen über die Promenade kommend die Weseler Straße überqueren wollen, um in Richtung Aasee zu gelangen.

Aus Richtung Aasee sind es sogar drei Verkehrsströme mit Fußgängern und Radfahrern, die von der Bismarckallee (oder dem südöstlichen Aasee Ufer), von der Adenauerallee (oder dem nordwestlichen Aasee Ufer) und von der Promenade kommend die Weseler Straße queren müssen, um in die Innenstadt oder zum Beispiel zum Hauptbahnhof zu gelangen.

Daraus ergeben sich sechs verschiedene Varianten, von denen nur eine einzige – und diese nur für Radfahrer (wegen des Anstiegs zur Brückenhöhe vorzugsweise nur Pedelecs) von der Fahrradbrücke profitieren würde.

Niemand, der mit dem Fahrrad über die Adenauerallee und später die Annetteallee aus der Innenstadt nach Roxel fahren möchte, würde diese Fahrradbrücke nutzen. Und ebenso wenig würde diese Brücke durch diejenigen genutzt, die einfach nur auf der Promenade bleiben möchten. Ganz zu schweigen von Besuchern der Stadt, die zu Fuß von der Innenstadt zum Aasee möchten oder umgekehrt.

Eine Gesamtlösung kann nur darin bestehen, dass die beiden aus der Innenstadt kommenden Verkehrsströme vor der Weseler Straße gebündelt werden und sich auf der Aasee Seite mit mehr Komfort als bisher auf die weiterführenden Wege verteilen können. Umgekehrt gilt dasselbe. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es beiderseits der Weseler Straße zu Baumaßnahmen kommen muss, um eindeutige Wegführungen für Fußgänger und Radfahrer zu ermöglichen, die insbesondere eine gegenseitige Behinderung ausschließen. Der Raum dafür ist vorhanden. Der finanzielle Aufwand einschließlich der Klimabelastung läge nur bei einem Bruchteil der Brücke.

Außerdem wird man die Ampelphasen in Abhängigkeit vom jeweiligen Verkehrsaufkommen so anpassen müssen, dass längere Wartezeiten für den nicht motorisierten Verkehr entfallen und die querenden Fußgänger und Radfahrer genügend Zeit haben, die recht breite Weseler Straße ohne Angst und Hetze überqueren zu können. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Weseler Straße an dieser Stelle keine Bundesstraße mehr ist. Sie ist für Durchgangsverkehr nicht mehr vorgesehen, sondern soll lediglich die Erreichbarkeit der Innenstadt – namentlich der Parkhäuser und Parkplätze – gewährleisten. Tempo 30 wäre hierfür völlig angemessen. Für Blaulicht-Fahrzeuge im Einsatz und den Liniendienst des ÖPNV sollte ferner die Möglichkeit geschaffen werden, die Ampelschaltung so zu beeinflussen, dass für diese Fahrzeuge freie Fahrt ermöglicht wird.

Weil die Aegidiistraße zur Fahrradstraße wird, was wegen der Altstadt-Atmosphäre nicht unbedingt mit rotem Straßenbelag sein müsste, muss logischerweise auch die Adenauerallee bis zur Annetteallee Fahrradstraße werden, alles andere wäre Stückwerk und würde dem Netzgedanken widersprechen[3].


[1] Interview zur Flyover-Debatte: Stadtbaurat Denstorff
https://www.wn.de/Muenster/Muenster/4423052-Interview-zur-Flyover-Debatte-Stadtbaurat-Denstorff-Das-Bestmoegliche-realisieren

[2] Interview zur Verkehrsdebatte: Lewe zum Flyover
https://www.wn.de/Muenster/Muenster/4425196-Interview-zur-Verkehrsdebatte-Lewe-zum-Flyover-Es-geht-um-Mut-fuer-Neues

[3] Fahrradnetz-Planung
https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/vo0050.php?__kvonr=2004045733